Wenn es um Aktivitäten geht, die Glücksgefühle auslösen können, steht sie weit oben: die Dankbarkeit. «Dankbarkeit ist so etwas wie der Königsweg zum Glück. Sie kann vieles sein: Staunen, Wertschätzung, die Erkenntnis, dass eine negative Erfahrung auch ihre guten Seiten haben kann», schreibt die US-Psychologie-Professorin Sonja Lyubomirsky in ihrem Standardwerk «Glücklich sein» (Campus). Sie vereint in diesem Buch viele wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Glücksforschung und setzt sich damit ab von den unzähligen profanen Glücks-Ratgebern.
Dankbarkeit ist für viele Menschen ein altmodischer, religiös gefärbter Begriff und hat im Zeitalter der Machbarkeit beinahe etwas Verstaubtes. Allerdings erleben wir immer wieder Momente und Situationen, in denen wir an die Grenzen dieser Machbarkeit kommen und den Dingen ihren Lauf lassen müssen. Sei es wegen Schicksalsschlägen, Krankheiten oder unüberwindbaren Hindernissen. Laut Lyubomirksy zeigten wissenschaftliche Untersuchungen in der Vergangenheit, dass dankbare Menschen glücklicher sind, mehr Energie haben und häufiger positive Emotionen spüren. Allerdings ging aus diesen Studien nicht eindeutig hervor, ob Dankbarkeit wirklich die Ursache all dieser positiven Eigenschaften ist oder ob optimistische, hilfsbereite und religiöse Menschen nicht umgekehrt zur Dankbarkeit neigen.
Dass Dankbarkeit durchaus lernbar ist, erlebte ich vor Jahren, als ich unter schlimmem Liebeskummer litt und also weit davon entfernt von optimistisch, hilfsbereit oder religiös war. In dieser dunklen Phase meines Lebens musste ich auch noch einen neuen Job anfangen. Ich zweifelte, ob ich fähig sein würde, die neuen Anforderungen zu meistern. Aus einem Inpuls heraus begann ich mich bewusst auf positive Dinge und Erlebnisse zu konzentrieren, mochten sie auch noch so unbedeutend sein – und schrieb sie stichwortartig in ein kleines Notizbuch. Egal, ob ich für einen Artikel gelobt wurde, eine tröstliche Umarmung erhielt oder auch nur meine «Leistung», 24 Stunden ohne Tränen geschafft zu haben. Und ich las diese Aufzeichnungen immer wieder, bis ich davon überzeugt war, dass in meinem Leben die guten Dinge überwogen.
Ich bin kein Einzelfall. Die Psychologin zeigt anhand verschiedener Studien, dass sich so ein Glückstagebuch durchaus lohnt. So wurden die Teilnehmer eines Experimentes in zwei Gruppen aufgeteilt und mussten aufschreiben, wofür sie in ihrem Leben dankbar waren. Das Ergebnis überraschte nicht: Bei allen verstärkten sich die guten Gefühle zu Anfang dieses Tests. Doch dann passierte Überraschendes: Die Stimmung blieb nur gut, wenn die Teilnehmer einmal pro Woche ihre positiven Erlebnisse notierten. Mussten sie dies dreimal in einer Woche machen, verflüchtigten sich die Dankbarkeits- und Glücksgefühle. Die Forscher vermuteten, dass sich diese Probanden zu langweilen begannen, während für die andere Gruppe das Ganze länger frisch und sinnvoll blieb.
Das Glück funktioniert also nicht nach dem Willensprinzip. Aber es scheint zu genügen, dass man sich immer wieder mal bewusst wird, wie viel Gutes und Schönes einem passiert.
Quelle: Von Kopf bis Fuss, Silvia Aeschbach